Stellungnahme Direktor

Stellungnahme des Direktors der DEGUWA

Stellungnahme zur Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der FDP 

Die FDP-Bundestagsfraktion hat die Publikation des Diskussionspapiers "Spuren unter Wasser: Das kulturelle Erbe in Nord- und Ostsee erforschen und schützen (2019)" der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zum Anlass genommen, am 02.03.2020 eine Kleine Anfrage zum Umgang mit Kulturerbe am Meeresgrund (Bundesdrucksache Nr. 19-17467) an die Bundesregierung zu richten.*
Die Antwort der Bundesregierung an den Präsidenten des Deutschen Bundestags erfolgte durch das Auswärtige Amt am 13.03.2020 (Drucksache Nr.: 19/18055 vom 17.03.2020, veröffentlicht am 25.03.2020; siehe  Link:www.deguwa.org).
Die FDP-Bundestagsfraktion bewertet die Antwort folgendermaßen:
"Darin gibt die Bundesregierung an, das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Unterwasser-Kulturerbes bis Ende 2021 unterzeichnen zu wollen. Das begrüßt die Fraktion der Freien Demokraten ausdrücklich."
Auf den ersten Blick erscheint die Aussage "Die Bundesregierung strebt nach jetzigem Planungsstand eine Unterzeichnung des UNESCO Übereinkommens zum Schutz des Unterwasser-Kulturerbes bis Ende des Jahres 2021 an" positiv und erfreulich.
Bei genauerer Betrachtung dieser Absichtserklärung verweist die Bundesregierung das Ratifizierungsverfahren aber an künftige Bundestagslegislaturperioden. Die Legislaturperiode des 19. Bundestags endet im September 2021. Die Bundesregierung könnte aber auch danach noch unterzeichnen, weil sie geschäftsführend im Amt bleibt, bis eine neue Regierung gefunden wurde. Denn anstreben ist nicht gleich erreichen wollen und die Unterzeichnung
geht einem Ratifizierungsverfahren in Bundestag und Bundsrat voraus.
Insofern könnten die parlamentarischen Verfahren zur Ratifizierung und Implementierung erst in der nächsten Legislaturperiode erfolgen. (Die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag wird gemäß Artikel 39 des Grundgesetzes spätestens am 24. Oktober 2021 stattfinden).
Deutschland hat den Vertrag von Valetta (das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes) 1992 unterzeichnet und im Jahr 2003 ratifiziert (das dauerte also 9 Jahre!).
Allerdings bedeutet auch zum "jetzigen Planungsstand", dass sich die Planung der Bundesregierung zur Unterzeichnung zeitlich verkürzen könnte und dadurch die Möglichkeit der Eröffnung des parlamentarischen Verfahrens noch gegeben wäre.
Allerdings kann ich auf Grund der Erfahrung mit früheren Angaben den Aussagen des AA nunmehr wenig Wert zumessen, denn der mitgeteilte Planungsstand des AA deckt sich nicht mit früheren Sachstandsaussagen und Zeitplänen zur Ratifizierung. 

Hoffentlich sieht sich die Bundesregierung durch das Positionspapier, das eine möglichst schnelle Ratifizierung fordert, veranlasst, ihren Zeitplan zu ändern.

Die offizielle Mitteilung des Deutschen Bundestags:
Schutz des Unterwasser-Kulturerbes
Auswärtiges/Antwort - 31.03.2020 (hib 347/2020)

Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung strebt nach jetzigem Planungsstand eine Unterzeichnung des UNESCO-
Übereinkommens zum Schutz des Unterwasser-Kulturerbes bis Ende des Jahres 2021 an. Das geht aus der Antwort
(19/18055) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor ( 19/17467). Ein Vorschlag der Nationalen Akademie der
Wissenschaften Leopoldina, den Schutz der Kulturgüter am Meeresgrund institutionell im staatlichen Behördenaufbau abzubilden, bedürfe der Prüfung durch die zuständigen Behörden auf Bundes- und Landesebene. Diese Prüfung dauere auf Bundesebene derzeit noch an. Innerhalb der 12-Seemeilen-Zone (siehe Diskussionspapier Abschnitt 4.4.1) werden Erforschung und Schutz des Unterwasser-Kulturerbes durch die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer sichergestellt und entsprechende Maßnahmen durch die für den Denkmalschutz zuständigen Landesbehörden bzw. -ministerien umgesetzt.
Die Anschlusszone bis zu 24 Seemeilen von der Basislinie ist von Deutschland nicht ausgewiesen, fällt aber m.W. in die Zuständigkeit der angrenzenden Bundesländer. Für die deutsche AWZ (Ausschließliche Wirtschaftszone), die nicht zum Staatsgebiet der Bundesrepublik zählt und daher keinem Bundesland zugeordnet werden kann, fehlt bislang eine vergleichbare archäologische Fachbehörde.
Für die AWZ sehen das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes und das UNESCO-Übereinkommen 2001 vielerlei Rechte und Pflichten vor, die über die gesetzlichen Schutzmechanismen der Bundesländer hinaus gehen.
"Den Schutz der Kulturgüter am Meeresgrund institutionell im staatlichen Behördenaufbau abzubilden" empfiehlt nicht erst das Diskussionspapier der Leopoldina:
Das UNESCO- Übereinkommen von 2001 über den Schutz des Unterwasser-Kulturerbes Artikel 22 – Zuständige Behörden schreibt vor:

"(1) Um die ordnungsgemäße Durchführung dieses Übereinkommens zu gewährleisten, setzen die Vertragsstaaten zuständige Behörden ein oder verstärken gegebenenfalls die bestehenden Behörden, mit dem Ziel, ein Inventar des Unterwasser-Kulturerbes anzulegen, zu pflegen und zu aktualisieren, das Unterwasser-Kulturerbe wirksam zu schützen, zu konservieren, zu präsentieren und zu verwalten sowie Forschungs- und Bildungsarbeit durchzuführen.
(2) Die Vertragsstaaten teilen dem Generaldirektor den Namen und die Anschrift ihrer jeweils für das Unterwasser-Kulturerbe zuständigen Behörden mit."
Keine der im Diskussionspapier 2.4 genannten "Akteure der Forschung" im bestehenden Behördenaufbau, die eine Bedeutung für das Unterwasser-Kulturerbe haben, verfügen über alle drei dieser Expertisen. Nach m.E. kommen nur drei der dort genannten Institutionen oder Ämter für die Integration des Unterwasserkulturerbes in einen erweiterten Aufgabenbereich in Frage, falls keine neue Behörde eingerichtet werden sollte.
Welches (Bundes-)Ministerium soll die Zuständigkeit erhalten? Entscheidet das AA darüber?
Dem Deutschen Schifffahrtsmuseum wurde bereits 2011 von der Bundesregierung (BMBF, Etat 700.000 Euro, Dauer 3 Jahre; realisiert mit Unterstützung des Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie -BSH-, eine Bundesoberbehörde des BMVI) ein Forschungsauftrag zur systematischen archäologischen Prospektion der Nordsee, auch außerhalb der 12-Seemeilen-Zone, erteilt.(Warnke, Ursula. Bedrohtes Bodenarchiv Nordsee:
Schlussbericht, Bremerhaven 2015.** (https://doi.org/10.2314/GBV:856885142)


∗ Die Kleine Anfrage ist ein Instrument zur parlamentarischen Kontrolle der Exekutive,
wobei für die Beantwortung der auf wenige Punkte begrenzten Fragestellung in der Regel
keine aufwendigen Recherchen durchgeführt werden.

** "Das Projekt wurde nach drei Jahren fristgerecht zum 31. Oktober 2014 beendet. Ein Folgeantrag ist
geplant, wenn die politischen Entscheidungen im Rahmen der Ratifizierung der UNESCO-Konvention zum
Schutz des kulturellen Erbes unter Wasser erfolgt ist."

Peter Winterstein
Direktor DEGUWA