
Der weite Weg zur Ratifizierung
Bis zur Ratifizierung ist es noch ein weiter Weg!
Die UNESCO-Konvention zum Schutz des kulturellen Erbes unter Wasser und der Entscheidungsprozess hierzu in Deutschland. Regionaltreffen der UNESCO-Gruppe I in Madrid am 20./21. Juni 2024 und die Rede dort von
Ansgar Bovet
Die UNESCO-Konvention zum Schutz des Unterwasser-Kulturerbes von 2001 wurde geschaffen, um den Schutz des Kulturerbes unter Wasser mit dem Schutz des Kulturerbes an Land zu harmonisieren und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Staaten zu regeln und zu erleichtern. Die Konvention trat 2009 in Kraft und ist bis zum 5. Juni 2024 von 77 Staaten ratifiziert worden, allerdings noch nicht von Deutschland. Als einzige ratifizierte Nichtregierungsorganisation (NGO) aus Deutschland zum "Unterwasserkulturerbe" (Underwater Cultural Heritage, UCH) wurde die Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie e. V. (DEGUWA) im Juni 2024 zu einem internationalen Treffen nach Madrid eingeladen, das vom spanischen Kulturministerium gemeinsam mit dem Sekretariat dieser UNESCO-Konvention organisiert wurde. Ziel dieses Treffens war der Austausch und die Diskussion von Fallstudien und bewährten Praktiken bei der Verwaltung und Erforschung des Unterwasserkulturerbes, unabhängig davon, ob die betreffenden Länder das Übereinkommen ratifiziert haben oder nicht. Die DEGUWA hatte bei diesem Treffen die Aufgabe, aus ihrer Sicht darzustellen, warum Deutschland diese UNESCO-Konvention nach 15 Jahren immer noch nicht ratifiziert hat. An den Podiumsdiskussionen nahmen Vertreter aus mehreren westeuropäischen Ländern und den USA teil, auch eine Vertreterin der deutschen Botschaft in Madrid war unter den Zuhörern. Die Konferenz wurde aufgezeichnet und kann auf dem YouTube-Kanal des spanischen Kulturministeriums angesehen werden.
Es besteht kein Zweifel: Deutschland ist für die UNESCO-Konvention zum Schutz des Unterwasser-Kulturerbes. Alle politischen Fraktionen und auch die Ministerialbürokratie äußern sich stets zuversichtlich. Nur leider spielt das Thema in der öffentlichen Meinung keine Rolle. Die Zahl der Menschen, die sich in dieser Frage engagieren, ist gering. Die Zögerlichkeit, die man in Deutschland hier an den Tag legt, ist einfach nur peinlich.
Vergangene Versprechen
Die deutschen Überlegungen zur UNESCO-Konvention waren anfangs zurückhaltend: Im Jahr 2001, bei der Abstimmung in Paris, enthielt sich Deutschland. Die anschließende Petition der DEGWUA zusammen mit Forschungseinrichtungen, ein Memorandum und die jährlichen Plädoyers auf unserer Konferenz "In Poseidons Reich", aber auch die große Zustimmung der Parlamentarier und ein Fachgespräch im Deutschen Bundestag erreichte sogar, dass der Koalitionsvertrag der nachfolgenden Regierung im Jahr 2013 den Passus enthielt, "Initiativen zu ergreifen", um der UNESCO-Konvention formell beizutreten.
Im Jahr 2015, erklärte die zuständige Abteilung des Auswärtigen
Amtes: "Die Arbeiten daran sind weit fortgeschritten".
Seitdem wurden unsere
Anfragen, warum wir noch auf die Durchführungsvorschriften warten müssen, wie
folgt beatwortet:
- Die zuständige Behörde stünde noch nicht fest, (ehrlich gesagt: Es gibt keine).
- Die Positionen der Bundesländer müssten ermittelt werden. Im Jahr 2017 wurde versprochen, dass dies "nach der Sommerpause" geschehen würde.
- Wichtige Verbände müssten noch konsultiert werden.
- Eine Schlüsselposition (gemeint war eine Personalstelle) in der Abteilung müsse erst noch besetzt werden.
Im folgenden Koalitionsvertrag der nächsten Regierung zu Anfang des Jahres 2018 wurde die Konvention jedoch nicht mehr erwähnt. Auf unsere Anfrage erklärte das Auswärtige Amt,
dass eine Ratifizierung im Jahr 2019 angestrebt würde. Inzwischen legte die renommierte Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, mit der wir in gutem Kontakt stehen, ein Diskussionspapier zum Unterwasser-Kulturerbe vor, in dem eine dringende Ratifizierung gefordert wurde. Eine Oppositionspartei hakte daraufhin nach und erhielt von der Bundesregierung die Antwort, dass die Ratifizierung für 2021 geplant sei, jetzt aber zunächst die turnusmäßigen Bundestagswahlen anstünden.
Neue Gegebenheiten
Mit dem Jahr 2021 zeichnete sich ein deutlicherer Regierungswechsel ab, den es dann auch gab. Deshalb hatten wir im Vorfeld alle demokratischen Fraktionen nach ihrer Position hinsichtlich der UNESCO-Konvention gefragt. Alle Parteien versprachen, auf eine baldige Ratifizierung hinzuarbeiten, keine äußerte auch nur geringste Vorbehalte.
Ungeachtet dessen macht die Entwicklung von Rechtsinstrumenten für die wirtschaftliche Nutzung von Meeresgebieten und Meeresböden in der Küstenzone und darüber hinaus – besonders in letzter Zeit – erhebliche Fortschritte. Nach der Fischerei liegt der Schwerpunkt auf dem massiven Ausbau von Windparks und anderen Energieerzeugungsanlagen auf dem Meeresboden, Unterseekabeln, Pipelines und nun zunehmend auch auf der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, vielleicht in naher Zukunft auch auf dem Tiefseebergbau. Bei beschleunigten Genehmigungsverfahren für einige dieser Projekte können die Umweltprüfungen verkürzt werden. Während solcher Zeitfenster werden oft archäologische Daten erhoben und Notgrabungen durchgeführt. Diese Möglichkeiten werden nun immer schwieriger. Vergessen wir dazu nicht die dringende Beseitigung versenkter Kampfmittel aus den großen Kriegen des 20. Jahrhunderts oder die bereits heute erkennbaren Folgen des Klimawandels (z. B. das Auftreten und die zunehmende Verbreitung des Schiffsbohrwurms, Teredo navalis). Beides macht den Handlungsbedarf schon jetzt dringend.
Im Jahr 2022 antwortete ein neuer Minister aus derselben Partei, die zuvor kritische Fragen als Opposition gestellt hatte, auf unsere Anfrage – als wäre es das erste Mal – dass ein Ausführungsgesetz in Planung sei. Eine Binsenweisheit! Er verwies noch auf weitere Rechtsnormen, wobei die nicht neu sind, sondern unzureichend. Ende letzten Jahres betonte das Auswärtige Amt auf Nachfrage erneut die Absicht der Bundesregierung, die Ratifizierung vorzunehmen. Es ergänzte diese Aussage aber mit der Erläuterung der Komplexität: Mit der Auflistung relevanter Bundesministerien, dazu das Sekretariat der Kultusministerkonferenz der Länder und bestimmter Bundesländer. Sie alle müssen an der Abstimmung über ein Ausführungsgesetz beteiligt werden.
Eine Abgeordnete der Oppositionspartei, die vorher in der Regierung war und das Problem
eigentlich aus ihrer eigenen Arbeit kennen müsste, erfragte das immerhin. Als ob wir wieder im Jahr 2009 wären! Die Diskussionen scheinen wieder von vorne zu beginnen, mit neuen Leuten, die nicht eingearbeitet sind.
Wir hatten uns kürzlich mit der
Oppositionspartei darüber ausgetauscht und festgestellt, dass die interessierten
Abgeordneten und ihre Mitarbeiter keine oder die falschen Vorstellungen vom
Thema hatten. Das waren alles Kulturpolitiker. Nichts gegen sie! Ich komme aus
dem Kulturbereich und stehe mit Kulturpolitikern im Kontakt. Auch jene aus der Regierungsfraktion
greifen unser Anliegen gerne auf. Sie sind aber nur Türöffner und können uns
kaum weiterhelfen.
Denn in diesem Politikfeld haben nicht sie, sondern das
Außenministerium das Sagen.
Auf meine letzte Anfrage, die ich über meine Beziehungen dort platzieren konnte, erhielt ich ebenfalls die lange Liste der Behörden und zudem die immerhin ehrliche Aussage: "Es ist derzeit nicht absehbar, wann der Ratifizierungsprozess abgeschlossen werden kann."
Dauerhafte Strukturen
Überspitzt könnte man sagen, dass das, was die UNESCO mit der Konvention global regeln will, Deutschland nicht einmal im Kleinen für sein Gebiet versucht. Archäologie im Inland ist in erster Linie Kultur. Und Kultur ist nach dem "Grundgesetz", unserer Verfassung, eine Angelegenheit der Bundesländer. So hat jedes Bundesland sein eigenes Denkmalschutzgesetz. Das bedeutet nicht, dass es hierzu große Unterschiede zwischen ihnen gibt, kleine aber schon. Vor allem gibt es eine Vielzahl von Behörden der Länder, die jeweils für ihr föderales Staatsgebiet zuständig sind. Die Bundesländer an den Küsten teilen sich die Abschnitte des Küstenmeeres auf. Der deutsche Föderalismus bedeutet, dass es im Bund kein Gebiet gibt, das nicht zu einem Bundesland gehört, und dass kein Bundesland ein Gebiet hat, das nicht zur Bunderepublik Deutschland gehört.
Aber was ist mit der
Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), die außerhalb des Staatsgebietes liegt,
insbesondere bezogen auf Kulturpolitik (Stichwort: Unterwasser-Weltkulturerbe),
die in Deutschland wie gesagt auf der Ebene der einzelnen Bundesländer
entschieden wird? Ein verflixtes Problem! Archäologie im Ausland ist seit dem
Deutschen Kaiserreich definitiv eine Angelegenheit des Auswärtigen Amtes, was
die Sache noch unübersichtlicher macht.
Wenigstens ist geregelt, dass der Bund in den Außenbeziehungen immer die Federführung hat. Das bedeutet, dass sich kein Bundesland als "koordinierender Staat" (Terminus in dieser UNESCO-Konvention) betrachten und einzelne Landesbehörden nicht von sich aus zuständige Behörden für das Unterwasserkulturerbe sein könnten – auch wenn dies im Einzelfall vielleicht praktikabel wäre. Es ist aber möglich und zum Teil schon üblich, dass der Bund die Länder entsprechend beauftragt. Dann sollte er das hierzu auch tun! Oder warum wird er nicht einfach selbst aktiv?
Im Bundeskanzleramt gibt es eine Abteilung unter der Leitung einer "Staatsministerin", die für Kultur und Medien "beauftragt" ist. Bislang ist sie und ihre Behörde allerdings nicht für Angelegenheiten außerhalb des Territoriums zuständig, streng genommen nicht einmal so richtig für Kulturpolitik innerhalb des Territoriums, aber das ist ein anderes Thema. Der deutsche Föderalismus mit seiner verfassungsrechtlich vorgesehenen und absichtlich auch so genannten "konkurrierenden Gesetzgebung" ist hier der Hemmschuh. Also nur der Bund ist befugt, völkerrechtliche Verträge wie diese Ratifikation abzuschließen. Aber da sich daraus Aufgaben ergeben, die nach dem Grundgesetz bei den Ländern liegen (Denkmalschutz und Archäologie im Küstenbereich), muss das Vorhaben des Bundes die Zustimmung der Länder haben, er darf nicht einfach von sich aus die Zuständigkeit der Länder übernehmen. Übrigens ist gemäß dem Grundgesetz jedes Politikfeld in erster Linie eine Sache der Länder, es sei denn, das Grundgesetz sieht dazu etwas anderes vor. Pech, dass im Grundgesetz das völkerrechtliche Konstrukt der AWZ nicht erwähnt wird.
Die Zuordnung von Meeresflächen und -gründen zu einer "deutschen" AWZ und damit einher gehende Kompetenzen beruhen auf internationalen Staatsverträgen. Aber diese Regelungen legen nicht fest, wie die Genehmigungen im Einzelnen in den Vertragsstaaten etwa zwischen Bundesländern zu erteilen sind. Der Bund könnte versuchen, alles so zu regeln, dass nur er in der AWZ tätig werden soll. Genau das tut er mit dem Ausbau der Windenergie. Aber er tut dies ohne weitere internationale Verpflichtungen, wie das bei der UNESCO-Konvention der Fall wäre. Und er handelt immer in Abstimmung mit den deutschen Küstenländern.
Das ist schon ein dickes Brett, und so ist es nicht verwunderlich, dass jede Bundesregierung zögert, ein weiteres Politikfeld anzunehmen, für dessen Umsetzung sie nach föderalem Prinzip delegieren muss, das sie aber gegenüber anderen Staaten zusätzlich verpflichten würde.
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) kennt die Positionen mehrerer Wracks in der AWZ, weil es für die Raumplanung und sichere Seewege zuständig ist. Den Ausbau von Windparks überlässt es praktisch den Bundesländern an den Küsten, behält aber die Aufsicht. Übrigens: Am Beispiel der Windparks haben die deutschen Küstenländer auch die AWZ längst unter sich aufgeteilt. Wo es also Geld zu verdienen gibt, hier also die Gewerbesteuer, reagieren die Bundesländer sehr schnell.
Jetzt sollten man vielleicht so kühn sein, beides zu verbinden: Gewinne aus der Windenergie mit der Verantwortung für das kulturelle Erbe unter Wasser. Vielleicht schlägt der spanische Außenminister im Anschluss an diese Tagung das seiner deutschen Amtskollegin nun vor. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass sie selbst schon darüber nachdenkt.
Nach der derzeitigen Gesetzeslage gibt es für die deutsche Regierung schlicht keine Rechtsgrundlage für UNESCO-konforme Schutzmaßnahmen in der AWZ. Ohne diese und ohne territoriale Zuständigkeit gibt es nach dem Handlungsschema einer Behörde "keinen Handlungsbedarf". Dieser besteht zurzeit nur, wenn etwa im Zuge von legitimen Bauarbeiten Kulturerbe beeinträchtigt wird. Erst wenn beide Zuständigkeiten durch die ratifizierte Konvention und die nationalen Ausführungsgesetze geklärt sind, kann eine personelle und sachliche Ausstattung gewährleistet werden, die ein Maßnahmeträger braucht, um adäquat Verantwortung zu übernehmen und tätig zu werden. Realistisch betrachtet mangelt es auf absehbare Zeit an beidem. Hinzu kommt die ärgerliche Tatsache, dass kaum einer unserer Nachbarstaaten an Nord- und Ostsee die UNESCO-Konvention bereits ratifiziert hat, warum also wir? Zum Glück hat sich Polen vor kurzem dazu entschlossen!
Bleibende Hoffnungen
Wie wäre es, wenn die Denkmalschutzbehörden der Küstenländer ihre Arbeit auf die AWZ ausdehnten, zumal sie am ehesten über das technische Know-how vor Ort verfügen und den Bund bereits im Rahmen der Amtshilfe gelegentlich vertreten? Die Ausbildung und Expertise in diesem Bereich sind übrigens auch vom Gesetz her eine Angelegenheit der Länder. Denn Hochschulen sind immer auch Einrichtungen der Bundesländer. Die Bundesregierung verweist gerne darauf, dass die Aspekte des kulturellen Erbes unter Wasser in der neuen Verordnung zur Raumordnung in der deutschen AWZ, Nord- und Ostsee berücksichtigt werden. Diese Verordnungen behandeln das kulturelle Erbe jedoch nur am Rande. Die Regelungen reichen bei weitem nicht an die Vereinbarungen der UNESCO-Konvention heran, und die internationale Dimension fehlt in den Raumordnungsplänen eindeutig.
Lauernde Herausforderungen – besondere Motivation
Ein Blick auf Art. 16 (Maßnahmen in Bezug auf Staatsangehörige und Schiffe) und Art. 21 (Ausbildung und Vereinbarung von Normen, einschließlich der Erhaltung) der Konvention: Wir müssen damit rechnen, dass die wirklichen Gründe für die Nicht-Ratifizierung durch Deutschland bisher uneingestandene Widerstände sind: Vermeidung weitgehender Verpflichtungen einerseits und hartnäckige kommerzielle Interessen andererseits.
In Deutschland sind nur wir, die DEGUWA, als NGO in Kontakt mit einer Fraktion der Regierungskoalition und einer der Opposition. Im Zuge dieser Veranstaltung werden wir sicher wieder neue Argumente haben, um an die Presse zu gehen. Wir sind bereits darauf angesprochen worden.
Was uns als DEGUWA stört, ist, dass sich der deutsche Ratifizierungsprozess zu sehr auf die eigenen Einflusszonen konzentriert, in denen das eigene kulturelle Erbe vermutet wird. Das ist kleinliches und ineffizientes Denken. Es sollte um mehr gehen:
Die bestmögliche Zusammenarbeit zum Schutz des Weltkulturerbes durch multilaterale Koordination, neu angepasste Standards, zuverlässige Berichterstattung – das wollen wir doch alle, oder? Unsere Vision ist es, die weiteren Schritte zu flankieren, die nach der Ratifizierung des UNESCO-Konvention und seiner Umsetzung erfolgen sollten.
Ansgar.Bovet@deguwa.org